DAS HUTPRINZIP

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Aufgabenverteilung in der Gruppe partizipativ und hierarchiefrei gestalten



DIE GRUNDIDEE DES HUT-PRINZIPS

Im Vorbereitungsseminar, während der Lernreise und auch im Anschluss daran wird es immer wieder Situationen geben, in denen die Gruppe vor Aufgaben steht, die einfacher von einer kleineren Gruppe oder einer Einzelperson koordiniert werden können, als wenn alle in der Gruppe immer gleichermaßen mitdenken müss(t)en. Beispiele für diese Art von Aufgaben sind das Kontaktieren der Schulen, das Organisieren eines gemeinsamen Kochabends, sowie die Verpflegung auf der Reise, usw.. Es ist also sinnvoll, Aufgaben innerhalb der Lernreisegruppe aufzuteilen und jeweils Hauptverantwortliche dafür zu finden. Um diesem Prozess der Aufgabenverteilung einen Rahmen zu geben, ihn zu strukturieren und somit zu erleichtern, greifen Lernreisegruppen immer wieder auf das sogenannte “Hut-Prinzip” zurück.

 

Das Hut-Prinzip ist also ein Werkzeug, um Aufgaben innerhalb einer Gruppe hierarchiefrei und partizipativ zu verteilen. In einer Situation, in der eine oder mehrere Personen gesucht werden, die eine Aufgabe übernehmen, entscheiden also alle Personen innerhalb der Gruppe selbst, ob sie die Aufgabe übernehmen möchten oder nicht. Entscheidet sich eine Person dafür, hat sie die Möglichkeit, ihr Interesse anzumelden und sich den Hut für die Aufgabe aufzusetzen. Der/Die Hutträger*in ist dann dafür verantwortlich, dass die Aufgabe erledigt wird. Das bedeutet nicht, dass der Hut alles, was zu der Aufgabe gehört selbst machen muss. Je nach Aufgabe kann der Hut auch von mehr als einer Person getragen werden. Das ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es sich um größere Aufgaben handelt, wie z.B. das Kontaktieren von Schulen. In diesem Fall ist es ein “Hut-Team” aus mehreren Personen, die sich die Aufgabe teilen. Weitere klassische “Hüte”, die bei einer Lernreise vorkommen, sind der “Transport-Hut”, der “Unterkunfts-Hut”, der “Finanz-Hut”, der “Dokumentations-Hut”, usw.

 

GRUNDSÄTZE, DIE DEM HUT-PRINZIP ZUGRUNDE LIEGEN

Dem Hut-Prinzip liegen bestimmte Grundsätze zugrunde, die bei der Verteilung von Hüten, während der Hut-Trägerschaft sowie beim Absetzen eines Hutes beachtet werden sollten. An dieser Stelle seien sie in aller Kürze vorgestellt:

 

  • Der Grundsatz der Freiwilligkeit besagt, dass der/die Hutträger*in die Aufgabe freiwillig übernimmt.
  • Der Grundsatz der Verantwortung besagt, dass der/die Hutträger*in sich dafür verantwortlich fühlt, dass die Aufgabe erledigt wird.
  • Der Grundsatz der Autonomie besagt, dass der/die Hutträger*in vieles selbst entscheiden kann.
  • Der Grundsatz des Vertrauens besagt, dass die Gruppe dem/der Hutträger*in Vertrauen entgegenbringt, dass er/sie dafür sorgt, dass die Aufgabe erledigt wird.

 

DIE DREI PHASEN DES HUT-PRINZIPS

Zum Hut-Prinzip gehört die “Hutvergabe”, die “Hutträgerschaft” und die “Hutabgabe”. Diese werden nun vorgestellt und mit Beispielen illustriert. Dabei werden Hinweise für Personen mit bestimmten Rollen gegeben: für den/die Hutträger*in, für Gruppenleitungen und für die anderen  Gruppenmitglieder ohne Hut.

 

1. DIE HUTVERGABE

 

Der/Die Hutträger*in - Wann setze ich mir den Hut auf?

 

An dieser Stelle gilt der Grundsatz der Freiwilligkeit: “Ich setzte mir den Hut auf, wenn ich Lust auf die Aufgabe habe. Entweder, weil mir die Aufgabe liegt, oder weil ich die Herausforderung annehmen möchte, etwas neues dazu zu lernen.”

 

Und es gilt der Grundsatz der Verantwortung: “Ich setze mir den Hut auf, wenn ich die (zeitlichen) Ressourcen dafür habe.”

 

Bevor du dir den Hut aufsetzt, solltest du also ehrlich und realistisch einschätzen, ob du die nötigen Ressourcen für die Hutträgerschaft hast und diese freiwillig übernimmst. Außerdem solltest du dir überlegen, ob du dir gegebenenfalls ein Hut-Team wünscht, das dich zeitlich und/oder inhaltlich bei deiner Hutträgerschaft unterstützen kann.

 

Die Gruppenleitung - Worauf sollte ich bei der Hutvergabe achten?

Die Gruppenleitung sollte im Moment der Hutvergabe darauf hinweisen, dass verschiedene Hüte zu verschiedenen Zeiten aktiv werden. Der Schulkontakt-Hut beispielsweise wird bereits in den ersten Wochen des Vorbereitungsseminars aktiv sein, der Verpflegungs-Hut dagegen wird kurz vor der Reise und während der Reise aktiv. Durch diese Hinweise trägst du dazu bei, dass alle in der Gruppe besser einschätzen können, wann was auf welchen Hut zukommt und sich somit alle verantwortungsbewusster entscheiden können, welchen Hut sie gerne übernehmen möchten.

 

Wenn dir auffällt, dass Hüte immer wieder von den gleichen Personen übernommen werden und andere sich dagegen noch nie oder viel seltener für einen Hut gemeldet haben, dann sei sensibel dafür, woran das liegen könnte und versuche darauf hinzuwirken, dass die Hüte ausgeglichener vergeben werden. Trauen sich manche Personen vielleicht nicht? Dann könntest du beispielsweise in der Pause auf diese zugehen und sie gegebenenfalls dazu ermutigen, sich für einen Hut zu melden. Du könntest gemeinsam mit der Person überlegen, welchen Hut sie gerne übernehmen würde und bei der nächsten Hutvergabe darauf achten, dass die Person die Chance bekommt, sich zu melden. Liegt es vielleicht auch daran, dass Leute keine Lust auf einen Hut haben? Gehe auch auf sie zu und frage sie, auf welchen Hut die Person Lust hätte. Vielleicht sind einige Leute auch besonders dominant, wenn es um die Vergabe von Hüten geht? Sensibilisiere die ganze Gruppe dafür, dass Lernreise darauf aufbaut, dass jede*r ihren/seinen Teil dazu beitragen kann und dass jede Lernreisegruppe daher einen Weg finden sollte, um allen in der Gruppe die Möglichkeit und Chance einzuräumen, sich einzubringen.

 

Und wenn sich niemand für den Hut meldet? Dann ist es deine Aufgabe als Gruppenleitung der Gruppe die Konsequenzen aufzuzeigen, wenn die Aufgabe nicht angegangen wird und der Hut somit “stirbt”. Ist die Gruppe beispielsweise damit einverstanden, dass es keinen gemeinsamen Kochabend mehr gibt, ist das für die Gruppe wahrscheinlich okay so. Schütze dich als Gruppenleitung davor, alle offenen Hüte direkt zu übernehmen. Du hast mit deiner Rolle als Gruppenleitung bereits einen großen Hut auf! Dennoch gibt es Hüte, die die Gruppenleitung übernehmen sollte, wenn sich niemand aus der Gruppe meldet. Einen gemeinsamen Kochabend nicht stattfinden zu lassen, könnt ihr als Gruppe selber entscheiden. Im Falle, dass eine Schule kein nachträgliches Feedback zugesendet bekommt, obwohl ihr es bei eurem Schulbesuch versprochen hattet, würde allerdings dem Projekt Lernreise und weiteren Lernreisegruppen schaden, die die Schule auch in Zukunft gerne besuchen möchten. Wenn ihr das der Gruppe transparent gemacht habt und sich dann immer noch niemand für das Feedback gefunden hat, solltet ihr euch diesen Hut als Gruppenleitung aufsetzen.

 

2. DIE HUTTRÄGERSCHAFT

 

Der/Die Hutträger*in - Was bedeutet es für mich, wenn ich den Hut auf habe?

 

An dieser Stelle gilt der Grundsatz der Verantwortung: “Als Hutträger*in fühle ich mich dafür verantwortlich, dass die Aufgabe erledigt wird.”

 

Wenn du dir den Hut für etwas aufgesetzt hast, bedeutet das allerdings nicht, dass du alles alleine machen musst. Du kannst auch Aufgaben, die innerhalb des Huts anstehen, an andere Personen abgeben. Wenn du dir beispielsweise den “Transport-Hut” aufgesetzt hast, bedeutet das nicht, dass du alle Autos, die ihr für eure Lernreise braucht, selbst organisieren musst oder auf jeder Fahrt am Steuer sitzen musst. Es geht vielmehr darum, dass du dafür sorgst, dass ihr genügend Autos zur Verfügung habt, zum Beispiel, indem du den Fuhrpark deiner Uni anfragst, aber auch indem du in deiner Gruppe nachfragst, wer ein Auto beisteuern könnte, wer einen Führerschein hat und bereit wäre, die ein oder andere Strecke auf der Reise zu fahren, etc. Es geht also neben der Erledigung anfallender Aufgaben auch darum, einen Überblick darüber zu haben, was noch getan werden muss, um den Transport auf der Reise sicherzustellen und darauf hinzuwirken, dass diese nötigen Aufgaben noch erledigt werden. Zum Grundsatz der Verantwortung gehört auch, dass du rechtzeitig um Unterstützung bittest, wenn du merkst, dass du die Aufgabe nicht alleine bewältigen kannst und es andere Personen aus der Gruppe dazu braucht. Als Transport-Hut solltest du also beispielsweise möglichst frühzeitig abfragen, wer ein Auto organisieren könnte und wer einen Führerschein hat.

 

Ebenso gilt hier der Grundsatz der Autonomie: “Ich als Hutträger*in kann vieles selbst entscheiden.”

 

Damit du als Hutträger*in in der Lage bist, eine gute Entscheidung zu treffen, hole dir rechtzeitig die relevanten Informationen ein, die du für die anstehende Entscheidung brauchst. Das kannst du umsetzen, indem du entweder die ganze  Gruppe befragst oder das advice principle befolgst. Dieses soll dir helfen, als Hut eine gute Entscheidung treffen zu können:Bevor du die Entscheidung triffst … frage a) sowohl einen Menschen, der sich mit dem Thema auskennt und somit eine erfahrene Person auf dem Gebiet ist, als auch b) einen Menschen, den die Entscheidung betreffen wird um Rat.

 

Außerdem gilt hier auch der Grundsatz des Vertrauens: “Ich bin mir bewusst, dass die Gruppe mir Vertrauen schenkt.”

 

Um dieses Vertrauen der Gruppe aufrecht zu erhalten, solltest du deiner Gruppe ab und zu zeigen, dass du deiner Verantwortung als Hut nachkommst. Bringe deine Gruppe regelmäßig auf den neuesten Stand und mache so dein Handeln transparent. Als Unterkunfts-Hut-Team könntet ihr beispielsweise davon berichten, dass ihr nun schon eine Unterkunft für Bremen und Halle gefunden habt und in Kontakt mit Leuten aus Hamburg seid. Auch durch das zeitnahe Abfragen von relevanten Infos (z.B. Als Unterkunft-Hut: Wer jemanden in Frankfurt kennt oder Als Verpflegungs-Team: wer welche Lebensmittelunverträglichkeiten hat) signalisiert ihr eurer Gruppe, dass ihr an der Sache dran seid und euch kümmert.

 

Die anderen in der Gruppe ohne Hut

 

Für die Personen ohne Hut ergibt sich hier, dass auch sie sich darauf einstellen sollten, dass ihre Ressourcen und ihr Engagement gegebenenfalls benötigt werden. Es sollte beispielsweise klar geworden sein, dass die Besetzung des Transport-Hutes nicht bedeutet, dass diejenigen, die nicht den Transport-Hut aufhaben, mit dem Transport auf der Reise nichts mehr zu tun haben. Außerdem sollten sie versuchen, dem/der Hutträger*in Vertrauen entgegenzubringen und ihm/ihr eine Chance zu geben, sodass er/sie seine/ihre Verantwortung wahrnehmen und die Aufgabe meistern kann. Versuche dazu, zum einen unterschiedliche Arbeits- und Herangehensweisen zu akzeptieren und zum anderen versteckte Kritik zu vermeiden und stattdessen ehrliches Feedback zu geben.

 

Die Gruppenleitung - Wie kann ich auf eine gute Hut-Trägerschaft hinwirken?

 

Hat sich eine Person aus deiner Gruppe den Hut aufgesetzt, bist du jetzt erst einmal nicht mehr in der Verantwortung. Wie die anderen in der Gruppe hast du die Verantwortung für den Hut dem/der Hutträger*in übertragen. Gib dem Hut die Chance, seiner Verantwortung gerecht zu werden. Hier gilt der Grundsatz des Vertrauens. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Gruppenmitglieder es bemerken, wenn ihnen dieses Vertrauen von der Gruppenleitung nicht wirklich entgegengebracht wird. Das kann zu Enttäuschung führen, aber auch dazu, dass Hutträger*innen sich darauf "ausruhen", dass die Gruppenleitung den Überblick behält und im Endeffekt doch wieder viel Verantwortung bei der Gruppenleitung liegt. Sollte der/die Hutträger*in zu viele Entscheidungsfragen wieder zurück an die Gruppe geben, weise ihn/sie darauf hin, dass er/sie als Hutträger*in diese Entscheidungen selber treffen kann und sollte, um die Effizienz, die ja ein Grundgedanke des Hut-Prinzips ist, nicht zu verlieren. Sorge außerdem dafür, dass Hüte rechtzeitig verteilt werden, damit der/die Hutträger*in es schaffen kann, seiner Verantwortung gerecht zu werden. So kann das Vertrauen der Gruppe in den Hut leichter aufgebaut und aufrecht erhalten bleiben.

 

3. DIE HUTABGABE

 

Der/Die Hutträger*in - Wann und wie setze ich mir den Hut ab?

 

An dieser Stelle gilt der Grundsatz der Verantwortung: “Ich setze mir den Hut ab, wenn die Aufgabe erledigt ist.”

Dieses Vorgehen ist ziemlich selbsterklärend. Wenn die Aufgabe erledigt ist, braucht es auch keinen Hut mehr, der sich dafür verantwortlich fühlt.

“Und was ist, wenn die Aufgabe noch nicht erledigt ist, mir der Hut aber zu groß wird?”

Mache deine Überlegung auf jeden Fall der Gruppe transparent! Informiere sie darüber, dass dir der Hut zu groß wird und überlege gemeinsam mit der Gruppe, wie es mit dem Hut weitergehen soll.

a) Kannst du dir vorstellen, den Hut weiterhin auf zu haben, wenn dich jemand dabei unterstützt? Überlege dir, welche Unterstützung du brauchst und frage dann in deiner Gruppe danach! Vielleicht findet sich ja ein Hut-Team, dass sich der Aufgabe mit neuer Energie annimmt.

b) Kannst du dem Hut überhaupt nicht mehr gerecht werden und möchtest du ihn daher komplett abgeben? Dann frage deine Gruppe, ob jemand anderes den Hut übernehmen kann.

c) Findet sich kein*e neue*r Hut-Träger*in oder ein Hut-Team, dann sensibilisiere die Gruppe dafür, dass der Hut dann gegebenenfalls nicht mehr existiert.

 

Die anderen in der Gruppe ohne Hut

 

Wenn der/die Hutträger*in nach Unterstützung fragt, überlege dir, wie deine Kapazitäten verteilt sind und ob du vielleicht nicht doch den Hut (ggf. im Team) übernehmen könntest. Überlege dir, wie es dir damit gehen würde, wenn der Hut tatsächlich “sterben” würde. Könntest du damit leben oder ist dir die Aufgabe so wichtig, dass du sie vielleicht doch übernimmst oder noch einmal Werbung dafür machst?

 

Die Gruppenleitung - Worauf sollte ich bei der Hutabgabe achten?

 

Wie bereits bei der Hutvergabe angesprochen, bist du als Gruppenleitung nicht automatisch dafür verantwortlich, alle nicht vergebenen Hüte zu übernehmen. Achte daher darauf, dass du dich nicht übernimmst. Natürlich bewegst du dich hier in einem Spannungsverhältnis: Einerseits hast du vielleicht die Erfahrung gemacht, wie wertvoll es sein kann, einen gemeinsamen Ausflug am Wochenende in die Stadt zu unternehmen, andererseits hast du aber neben der Vorbereitung der Zwischenreflexion eigentlich nicht mehr die Kapazität dafür, nach einem Rundgang durch die Stadt und einem großen Tisch in einer coolen Bar zu recherchieren.

 

Wie weiter oben ebenfalls bereits angesprochen, gibt es aber auch Hüte, die so wichtig sind, dass sie im Zweifelsfall von dir als Gruppenleitung übernommen werden sollten. Mache der Gruppe in jedem Fall die Wichtigkeit des Huts transparent und zeige auf, welche Konsequenzen es haben würde, wenn der Hut “sterben” würde. Wenn sich dann immer noch niemand findet, mache der Gruppe transparent, dass du den Hut jetzt trotzdem aufgrund deiner besonderen Verantwortung in deiner Rolle als Gruppenleitung übernehmen wirst.

 

BEISPIELE ZUR INSPIRATION - VISUALISIERUNGEN ZUR VORSTELLUNG UND ERKLÄRUNG DES HUT-PRINZIPS

Die folgenden Visualisierung soll dich dabei unterstützen, das Hut-Prinzip deiner Gruppe vorzustellen.




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